Algen sind nicht nur die ältesten Pflanzen auf unserem Planeten, sondern auch richtige Überlebenskünstler. Abhängig von den jeweiligen Umweltbedingungen entwickeln sich schnell verschiedene Algenarten, die zum Beispiel extreme Temperaturen und starke UV-Strahlung aushalten. Forscher rechnen damit, dass es bis zu 400.000 verschiedene Arten gibt, bekannt sind bisher davon nur etwa 20 %. Rund 100 Algenarten werden als Nahrungsmittel genutzt. Sie sind seit jeher wichtig für die tägliche Ernährung vieler Urvölker und bis heute ein klassischer Bestandteil der asiatischen Küche. Bestimmte Algenarten wurden in Asien sogar als besonderes Geschenk überreicht oder waren nur für den Adel zugänglich. Auch in Island, Dänemark, der Bretagne und den Küstengebieten Großbritanniens hat der Verzehr von Algen eine lange Tradition. Der Rest Europas entdeckt erst allmählich das Potenzial von Algen für sich; noch werden 97 % der Algen in Asien produziert.
Einzellige Mikroalgen …
Algen lassen sich abhängig von ihrer Größe in zwei verschiedene Gruppen einteilen. Die meisten Algen sind Mikroalgen. Sie bestehen oft aus nur einer Zelle und sind mikroskopisch klein. Die bekanntesten Mikroalgen sind Spirulina und Chlorella, wobei Chlorella mit einem Durchmesser von 2 bis 10 Tausendstel Millimetern auch die kleinste bisher bekannteste Mikroalge ist. Mikroalgen vertragen oft sowohl Süß- als auch Salzwasser und werden unabhängig vom Meer in geschlossenen Aquakulturen – sogenannten Photobioreaktoren – gezüchtet. Dabei handelt es sich um durchsichtige Wassertanks, in denen die Mikroalgen mit Licht, Kohlenstoffdioxid und Nährstoffen für die Photosynthese versorgt werden, bis sie zu einer dicken, grünen Suppe herangewachsen sind. Dafür brauchen die Algen eine konstante Beheizung oder Kühlung, Belüftung, gleichmäßige künstliche Beleuchtung und somit jede Menge Energie, wodurch die Produktion von Mikroalgen bisher kaum nachhaltig ist. Immerhin kann das Wasser für eine neue Zucht größtenteils wiederverwendet werden und es gibt so gut wie keinen Abfall. Was definitiv ein Vorteil der Produktion von Mikroalgen in Photobioreaktoren ist, ist der geringe Flächenbedarf: Die Photobioreaktoren können theoretisch überall stehen, auch unterirdisch und gestapelt. So können auf 20 Quadratmetern innerhalb eines Jahres bis zu 3,5 Tonnen Mikroalgen wachsen.
… und riesige Tangwälder
Makroalgen sind mehrzellige Algen, die bis zu 60 Meter lang werden können. Sie werden sowohl wild im Meer geerntet als auch in sogenannten Tangwäldern in der Uferzone vom Meer angebaut. Dafür werden sie zunächst in Laboren vorkultiviert und dann in den Aquakulturen an Seile gesetzt, die im Meer versenkt werden können. Dort bieten sie einen Lebensraum für Fische und andere Meerestiere oder können auch mit der Zucht von Lachsen und Garnelen kombiniert werden. Nach etwa 5 Monaten werden die Meeresalgen von Hand geerntet. Ein großer Vorteil dieser Anbaumethode ist, dass die Makroalgen im Wasser wachsen und somit auf Flächen, die für die klassische Landwirtschaft nicht geeignet sind. Außerdem verbrauchen sie kein Süßwasser, nehmen die Nährstoffe direkt aus dem Wasser auf und benötigen weder Düngemittel noch Pestizide, um gut und gesund wachsen zu können. Algen wachsen übrigens auch an Land, werden dann aber nicht als Nahrungsmittel genutzt.
Auch wenn Algen durch das enthaltene Chlorophyll immer grün gefärbt sind, können Makroalgen auch rot, braun, gelb, orange oder violett erscheinen, wenn andere Pigmente das Chlorophyll überdecken. Die bekannteste Makroalge ist sogar so dunkelgrün, dass sie fast schwarz wirkt: Nori, die schwarzen „Blätter“, die zum Einwickeln beim Sushi genutzt werden. Makroalgen werden zum Beispiel auch als Tee, Suppe, Salat, Snack oder Gewürz zubereitet, da sie sowohl getrocknet als auch frisch oder eingelegt gegessen werden können.

Die Firma Astaxa in Ritschenhausen beherbergt in 40 Kilometern Glasröhren 18.400 Liter Algenwasser. Seit 2005 werden hier Algen produziert – zuerst als Biomasse für die Kosmetik-Industrie, jetzt als Lebensmittel. Neben Astaxa in Ritschenhausen gibt es auch in der Altmark eine Algenfarm, an der Hochschule Anhalt wird das Potenzial der Algen als Rohstoff erforscht und das in Gierstädt ansässige Unternehmen Nabio hat erst vor kurzem die wie Thunfischcreme auf den Markt gebracht: eine vegane, proteinreiche Bio-Alternative mit Algen sowie Erbsen- und Fababohnenprotein für’s Brot, als Dip oder zum Löffeln.
Algen sind sehr gesund, da sie besonders aufgebaut sind. Während andere Pflanzen Wurzeln, Stängel und Blätter haben, bei denen die Zellen jeweils unterschiedlich zusammengesetzt sind, ist bei Algen jede Zelle gleich. Dementsprechend enthält auch jede Zelle die gleichen Nährstoffe, was dazu führt, dass Algen das Zehnfache an wertvollen Inhaltsstoffen im Vergleich mit „Landpflanzen“ enthalten. Einige dieser Nährstoffe kommen in Landpflanzen gar nicht vor – zum Beispiel Vitamin B12, das sonst nur in tierischen Produkten zu finden ist. Neben jeder Menge Vitaminen, Mineralstoffen, Antioxidantien, Ballaststoffen essentiellen Aminosäuren und Omega-3-Fettsäuren beinhalten Algen auch jede Menge Eiweiß: Die Spirulina-Alge hat einen Protein-Gehalt von 60 %. Durch diese konzentrierte Nährstoffmenge halten Algen lange satt und kurbeln den Stoffwechsel an.
Die gesunden Vorteile der Algen sorgen dafür, dass insbesondere Mikroalgen momentan vor allem als Nahrungsergänzungsmittel sehr gefragt sind, um Vegetariern und Veganern die Aufnahme wichtiger Nährstoffe zu erleichtern. Zukünftig könnten Algen daher auch bei der Produktion von Fleischersatzprodukten und kultiviertem In-Vitro-Fleisch zum Einsatz kommen. Da Mikroalgen außerdem gelierend, verdickend und stabilisierend wirken, sind sie in Agar-Agar oder in vielen verarbeiteten Lebensmitteln als Zusatzstoffe enthalten, um zum Beispiel das Ausflocken von Sahne zu verhindern oder um Lebensmittel grün und blau zu färben.
Meeresalgen enthalten viel Jod und können somit gegen Jodmangel helfen, den viele Menschen in Europa haben. Gleichzeitig kann dadurch weniger Salz zum Kochen benutzt werden.
Zwei Herausforderungen bei der Verwendung von Algen gibt es jedoch: den Geschmack und die Farbe. Nicht zu jedem Lebensmittel passt der fischige Umami-Geschmack oder die grüne Farbe. Da sich der Geschmack von Algenart zu Algenart immens unterscheiden kann, lässt sich dieses Problem relativ leicht lösen. Bei der Farbe ist das anders: Da die grünen Farbstoffe oft die Proteine selbst oder sehr eng damit verbunden sind, lassen sie sich kaum von den Proteinen entfernen, ohne die Proteine zu beschädigen. Nur im Labor können die Proteine aus den Algen extrahiert werden, doch dafür High-Tech-Anlagen und hochqualifiziertes Personal benötigt, was den Prozess bisher unrentabel macht. Dennoch könnten bereits 2026 Protein-Extrakte aus Algen auf den Markt kommen.
Auch das können Algen
- Die Reste, die nach der Entfernung der Proteine und Nährstoffe von den Algen übrig bleiben, können unter anderem zu organischem Dünger verarbeitet werden.
- Algen sind nicht nur zum Verzehr geeignet. Sie beinhalten zum Beispiel Stoffe, die die Hautalterung verlangsamen können, weshalb sie schon lange wichtig für die Kosmetikindustrie sind.
- Algen sind ein geruchsfreier, veganer Ersatz für tierisches Leder und könnten in Zukunft erdölbasierte Plastik-Produkte durch Bioplastik aus Algen ersetzen.
- Mikroalgen können zu Garn verarbeitet werden, aus dem Fischernetze, Seile oder Kleidung hergestellt werden. Es gibt sogar bereits Sneaker aus Algenschaum.
- Einige Algenarten beinhalten Verbindungen, die beim Verdauen die Methanproduktion von Rindern reduzieren können, was einen positiven Effekt auf die Umwelt und das Klima hat.
- Algen binden hervorragend Schadstoffe wie Schwermetalle, sodass sie verschmutzte Gewässer oder ökologisch geschädigte Gebiete natürlich reinigen.
