Modernes Getreide: ertragreich und resistent
Getreide nimmt für die weltweite Ernährung wegen seiner hervorragenden Lager-Eigenschaften und des hohen Nährwerts eine Schlüsselrolle ein. Um Ernteausfällen entgegenzuwirken, entwickelt die Getreideforschung immer wieder neue Züchtungen und Kreuzungen: Es sollen möglichst große, viele und schnell reifende Körner in einer Ähre enthalten sein. Gleichzeitig muss die Ähre stabil genug sein, um die Körner tragen zu können. Nicht zuletzt soll das Getreide gegen Klimaschwankungen, Krankheiten und Schädlinge resistent sein. Mittlerweile gibt es sogar für jede moderne Getreidesorte auf sie zugeschnittene Schädlingsbekämpfungsmittel und Dünge-Schlüssel. Das erleichtert die Arbeit der Landwirte, birgt in sich aber auch die Gefahr von Monokulturen, die mit dem Verlust von Artenvielfalt und teils hohen Schadensbilanzen einhergehen können.
Weltweit sind vor allem vier Getreide immens wichtig: In Europa ist es Weizen, in Amerika Mais, in Asien Reis und in Afrika Hirse. Von dem Getreide werden aber lediglich 20 % für die Versorgung der Menschen genutzt – 60 % werden als Grundlage für Viehfutter weiterverarbeitet und 20 % stehen der Industrie zur Verfügung bzw. werden zur Energieerzeugung genutzt.
Getreide in Zahlen
🌾 Im Rahmen der weltweiten Getreideproduktion belegt Deutschland mit 38 Millionen Tonnen pro Jahr Platz 16.
🌾 In Thüringen wurden im Jahr 2020 etwa 350.000 Hektar Ackerfläche für Getreide bestellt. Auf über 200.000 Hektar wächst Weizen, auf 100.000 Hektar Gerste.
🌾 Roggen (10.000 Hektar), Hafer (6.000 Hektar) und Triticale (13.000 Hektar) spielen nur eine kleine Rolle auf Thüringens Getreideflächen.
Vom Feld bis zur Mühle
Beim Anbau von Getreide unterscheidet man zwischen Winter- und Sommergetreide. Wintergetreide wird ab September ausgesät und ab Juni geerntet; Sommergetreide wird ab März gesät und ab Juli geerntet. Zum Ernten des reifen Korns benutzen Landwirte Mähdrescher. Die Maschinen können in einem Schritt das Getreide als Ganzes abmähen und danach direkt die Körner vom Rest der Pflanze trennen.
Das geerntete Korn wird nun zur Mühle gebracht. Hier wird es zunächst in sieben Schritten gereinigt:
1️⃣ Verunreinigungen und zu kleine Körner werden ausgesiebt.
2️⃣ Luftströme tragen leichte Halmreste und Staub nach oben, sodass sie aussortiert werden können.
3️⃣ Ein Steinausleser entfernt größere Steinchen und Erdklumpen.
4️⃣ Ein Magnet entfernt metallische Gegenstände.
5️⃣ Eine Schälmaschine entfernt die äußersten Schalenschichten.
6️⃣ Kranke und besonders leichte Körner werden aussortiert.
7️⃣ Dunkle Körner wie das giftige Mutterkorn werden aussortiert.
Hat das Getreide einen zu hohen Feuchtigkeitsgehalt, wird es nun getrocknet. Ansonsten kann das Getreide jetzt bis zur Weiterverarbeitung mehrere Jahre lang gelagert werden. Bevor die gereinigten Körner gemahlen werden können, müssen sie so mit Wasserdampf befeuchtet werden, dass sich die Feuchtigkeit optimal verteilen kann.
Nun kann der Mahlvorgang beginnen. Währenddessen durchlaufen die Körner mehrere Walzen. Die erste Walze bricht die Körner auf, sodass die Schale abfällt und der Mehlkörper auseinanderbricht. Das hierbei entstehende Mehl wird direkt zwischengelagert. Grobe Schalenteile werden nun bis zu fünf Mal gemahlen – dieses Mehl wird auch Nachmehl genannt. Je öfter die Schalenteile zerkleinert werden, desto dunkler wird das Mehl.
Anschließend werden die Mehle mit unterschiedlichen Schalenanteilen so zusammengemischt, dass sie den Mehltypen entsprechen, und zum Schluss verpackt. Werden die Körner nicht ganz fein-pudrig gemahlen, entstehen außerdem Grieß oder grober Schrot.
Körner bestehen aus einem Mehlkörper und einem Keimling; beides wird durch eine aus mehreren Schichten bestehende Schale geschützt und zusammengehalten. Am meisten Nährstoffe enthalten der Keimling und die Schale – beides ist in Vollkornprodukten enthalten, weshalb diese auch am nährstoffreichsten sind.
Die Schale vom Korn ist sehr trocken und spröde. Durch das sogenannte Netzen wird sie elastisch und kann beim Mahlen nicht zerbrechen. Zerbrochene Schalenteilen wären zu klein, um ausgesiebt zu werden – die Produktion von hellem Mehl wäre dann unmöglich.
Was sind eigentlich Mehltypen?
Mehltypen spiegeln den Mineralstoffgehalt des Mehls wider: Ein Mehl mit der Typennummer 405 beinhaltet 405 mg Mineralstoffe je 100 g Mehl. Je höher die Typennummer ist, desto höher ist also der Mineralstoffgehalt. Die gängigsten Mehltypen sind bei Weizenmehl 405 und 550, bei Dinkelmehl 630 und 812, bei Roggenmehl 997 und 1150. Niedrige Mehltypen eignen sich besonders gut für feine Backwaren. Mehltypen um 1000 sorgen für einen kräftigeren Geschmack und sind mit ihrer dunkleren Farbe perfekt für Mischbrot geeignet. Sehr hohe Mehltypen über 1500 sind sehr grob und beinhalten auch kleine Kornreste. Vollkornmehl trägt keine Typennummer, da hier das gereinigte Korn im Ganzen gemahlen wird. Die gesunden, nahrhaften Vollkornteige werden sehr schwer und brauchen nicht nur mehr Flüssigkeit, sondern auch mehr Triebmittel als andere Teige.
Was ist eigentlich Gluten?
Was die gängigen Mehle aus Weizen, Dinkel und Roggen vereint, ist der Inhaltsstoff Gluten. Dieses natürlich vorkommende Speicherprotein oder Klebereiweiß bindet Wasser im Mehl. Je länger der Teig geknetet wird, desto stärker wird das Glutennetz. Es sorgt für Elastizität, Luftigkeit und Volumen. Allerdings ist es auch verantwortlich dafür, dass nicht alle Menschen „normales“ Getreide vertragen: Menschen, die an Zöliakie leiden, leiden nach dem Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel zum Beispiel an Verdauungsproblemen, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Eine gute Alternative für glutenhaltige Lebensmittel sind deshalb Lebensmittel aus sogenanntem Pseudogetreide.
Bei vielen Rezepten kannst Du Weizenmehl 1:1 durch Dinkelmehl mit einer ähnlichen Typenzahl ersetzen. Allerdings lassen sich Dinkelteige schwerer formen und sollten nicht so lang geknetet werden wie Weizenteige. Außerdem kann Dinkel weniger Wasser binden als Weizen; Dinkelgebäck wird deshalb schneller trocken. Ansonsten kannst Du auch zu einer Mehltype greifen, die etwas höher oder niedriger als die im Rezept angegebene Type ist. Gib dann aber am besten etwas mehr bzw. weniger Flüssigkeit dazu. Bei einigen Backwerken kannst Du maximal 20 % des Weizenmehls auch durch Roggen-, Amaranth-, Hafer- oder Vollkornmehl ersetzen. Dann braucht der Teig aber nicht nur mehr Flüssigkeit, sondern auch mehr Backtriebmittel.
Im Trend: Pseudogetreide
Gluten und Weizenmehl haben aktuell nicht den besten Ruf. Stattdessen liegen Amaranth, Buchweizen und Quinoa im Trend – sogenanntes Pseudogetreide. Wie auch Vollkornmehl kommen in Pseudogetreide vor allem komplexe Kohlenhydrate vor, die für ein langes Sättigungsgefühl sorgen. Außerdem liefert Pseudogetreide viel Energie und Eiweiß, ist vielseitig anwendbar, enthält viele Nährstoffe und ist glutenfrei. Botanisch ist Pseudogetreide nicht mit dem „richtigen“ Getreide verwandt, lässt sich aber ähnlich zubereiten. Gemahlen kann man es wie Mehl einsetzen. Durch das fehlende Gluten eignet es sich aber nur für flaches Gebäck wie Eierkuchen, Galette oder Bratlinge. Pseudogetreide kann man aber auch gekocht genießen: Durch seinen nussigen Eigengeschmack schmeckt es köstlich in Pfannengerichten und Gemüsefüllungen, als Salat-Zusatz oder einfach als Beilage. Außerdem kann Pseudogetreide gepufft werden und ist dann ein hervorragender Müsli- oder Joghurt-Zusatz.
Allerdings hat Pseudogetreide im Gegensatz zu „richtigem“ Getreide oft einen langen Weg hinter sich, bis es bei uns landet: Die größten Anbaugebiete sind in Südamerika, Osteuropa und Mittelasien. Da dort nicht immer die gleichen Anbaugesetze wie bei uns gelten, kann das Pseudogetreide eventuell mit schädlichen Stoffen belastet sein. Deshalb sollte es vor dem Kochen immer gründlich gewaschen werden. Außerdem verträgt nicht jeder das schwer verdauliche Pseudogetreide. Um es leichter verdaulich zu machen, lohnt es sich, es vor der Zubereitung einige Stunden lang in der doppelten Menge Wasser einzuweichen.