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Superfood aus dem Wasser

Erfurter Brunnenkresse

Sie ist immaterielles Kulturerbe Thüringens, das gesündeste Gemüse der Welt, ein exklusives Superfood und eine wasserliebende Diva, die wächst, während viele andere Pflanzen eine Pause einlegen: die Brunnenkresse. Sie hat die höchste Nährstoffdichte aller Gemüsesorten und Erfurt als Kressehauptstadt europaweit so bekannt gemacht, dass sich damals wie heute Kaiser und Könige das Gemüse schmecken lassen und ließen.

Die Brunnenkresse wächst nicht einfach irgendwo, sie mag es kompliziert: Sie liebt stetig fließendes, sehr sauberes und nährstoffreiches Wasser sowie eine gleichbleibende Temperatur um 12° C. Was sie hingegen gar nicht mag, ist zu viel Sonne und Unkraut. Wild wächst sie daher gern in oder direkt an schattigen, klaren, flachen Gewässern mit leichter Strömung. Erkennen kannst Du Brunnenkresse an ihren dunkelgrünen, runden, fleischigen Blättern und weißen Blüten, allerdings ist sie leicht mit dem (ebenfalls essbaren, aber bitteren) Schaumkraut verwechselbar.

Regionales Superfood

Brunnenkresse schmeckt pfeffrig-scharf – ein wenig wie Radieschen, Gartenkresse oder Senf. Verantwortlich für den Geschmack sind Senfölglycoside, mit denen sich Brunnenkresse vor Viren, Bakterien und Pilzen schützt. Allerdings können sie bei uns Blasen-, Nieren und Magenreizungen hervorrufen, wenn Du Brunnenkresse in großen Mengen genießt. Empfohlen wird daher, nicht mehr als 60 g Brunnenkresse am Tag zu essen. Dennoch ist Brunnenkresse sehr gesund: Bei nur 20 kcal pro 100 g enthält sie viele Vitamine, Mineral- und sekundäre Pflanzenstoffe – allen voran jede Menge Vitamin C, Beta-Carotin, Eisen und Zink. Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 hat Brunnenkresse sogar die höchste Nährstoffdichte aller Gemüsesorten und wurde deshalb zum gesündesten Gemüse der Welt ausgerufen. Ebenfalls ganz weit vorne dabei sind Chinakohl, Mangold, Rote Bete und Spinat.

Je kälter und nährstoffarmer das Wasser ist, desto langsamer wächst Brunnenkresse und desto mehr scharfe Senfölglycoside lagert sie ein. Auch nach der Blüte im Frühling schmeckt Brunnenkresse wesentlich schärfer und die Blätter schmecken nicht mehr so zart.

Geerntet wird die etwa 10 bis 30 cm hohe, mehrjährige Pflanze in allen Monaten, die ein r im Namen haben – also von September bis April. So bringt die Brunnenkresse im tristen Winter jede Menge gesunde Inhaltsstoffe auf den Teller! Um die gesunden Vorteile der Brunnenkresse auskosten zu können, solltest Du sie auf jeden Fall roh essen und weder erhitzen noch einfrieren oder trocknen. Genieße sie am besten erntefrisch oder bewahre sie in ein feuchtes Tuch gewickelt so kurz wie möglich im Gemüsefach vom Kühlschrank auf. Brunnenkresse schmeckt zum Beispiel in Smoothies, Salaten, Suppen und Pesto.

Grilled Cheese Sandwich mit Brunnenkresse-Pesto

Unser knuspriges Grilled Cheese Sandwich ist ein perfektes Feierabend-Gericht für lange, kalte Wintertage: Es ist schnell gemacht, schmeckt fantastisch und ist durch das Brunnenkresse-Pesto, das voller guter Zutaten steckt, gar nicht mal so ungesund 🤭

zum Rezept

Erfurt: Deutschlands ehemalige Kressehauptstadt

Schon in der Antike wurde die wild wachsende Brunnenkresse geschätzt und im Mittelalter galt sie wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehalts als Heilmittel gegen Skorbut, doch heute ist das Gemüse hierzulande fast in Vergessenheit geraten. Der Anbau im eigenen Garten ist ohne natürliches Fließgewässer ziemlich kompliziert, doch mit viel Glück kannst Du noch ein Bund von einem der wenigen deutschen Brunnenkressebauer auf dem Wochenmarkt ergattern.

Seit 400 Jahren wird in Erfurt Brunnenkresse angebaut. Die Auenlandschaft zwischen Erfurt und Hochheim eignet sich durch drei warme Quellen und regelmäßige Überflutungen als perfekter Standort für das wasserliebende Gemüse. Dieses Potenzial erkannte auch Christian Reichert: Der Begründer des modernen Gartenbaus staute ab 1740 die Bachläufe zu künstlichen Wassergräben, sogenannten Klingen, in denen Brunnenkresse ertragreich kultiviert werden konnte. Zwischen den Klingen wurden Dämme aufgetragen, die zusätzlichen Platz für den Anbau verschiedener Gemüsesorten bot. Es dauerte nicht lange, bis Brunnenkresse als eine echte Erfurter Spezialität bekannt wurde und Erfurt den Ruf als Kressehauptstadt verliehen bekam. Auf einer Geschäftsreise soll sogar Napoleon Brunnenkresse probiert haben und davon so begeistert gewesen sein, dass er sofort zwei Erfurter Brunnenkressebauer nach Frankreich holte, die dann in der Nähe von Versailles Brunnenkresse kultivierten. Bis heute wächst dort Brunnenkresse.

Frisches Grün für dunkle Tage

Im Winter ist es schwer, an vielfältiges, frisches Gemüse zu kommen. Kräuter, Salate oder Gemüse im Miniaturformat können dann eine knackige Ergänzung zu leckeren Mahlzeiten sein. Die sogenannten Sprossen und Microgreens können ganz einfach direkt vom Fensterbrett auf Deinen Teller kommen.

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Microgreens in einer Schale

Der letzte Brunnenkressebauer Erfurts

Um das Jahr 1930 herum gab es fünf große Familienbetriebe in Erfurt, die den Brunnenkresse-Anbau professionalisierten. So ersetzten sie die Dämme durch Laufstege, um die Produktionsfläche zu erweitern. Das beliebte Gemüse wurde von Erfurt aus mit dem Expresszug in viele deutsche Großstädte und sogar ins Ausland geliefert. Im Jahr 1960 wurden in Erfurt über 40 Tonnen Brunnenkresse von 20.000 Quadratmetern Anbaufläche geerntet – bis der Anbau mit der Verstaatlichung vieler Betriebe abrupt endete. Viele Klingen wurden zugeschüttet oder liegen bis heute brach. Erst im Jahr 1994 nahm ein einziger Brunnenkressebauer nach der Rückübertragung und aufwändigen Rekonstruktion der Klinge seine Arbeit wieder auf: Ralf Fischer. Er ist der letzte professionelle Brunnenkressebauer Erfurts. In seiner denkmalgeschützten Klinge baut der Familienbetrieb auf 500 Quadratmetern mit mehr als 150 Jahren Erfahrung in fünfter Generation Brunnenkresse an – und der Nachfolger steht auch schon fest.

Wöchentlich erntet Familie Fischer etwa 2 Quadratmeter für Stammkunden und Restaurants in der Nähe ab, was durchschnittlich 7 Kilo Brunnenkresse ergibt. Ein Kilogramm Brunnenkresse kostet knapp 30 €.

Mit Blick auf die Geschichte der Brunnenkresse in Erfurt ist das lange Bestehen des Familienbetriebs so besonders, dass im Frühjahr 2023 sogar König Charles bei seinem Besuch in Berlin Brunnenkresse von Fischers serviert bekam. Mehr über Highlights wie diese und die Geschichte des Betriebs erfährst Du in dem kleinen Brunnenkresse-Museum auf dem Hof der Familie Fischer. Außerdem kannst Du dort frisch geerntete Brunnenkresse kaufen und mit etwas Glück sogar die Anlage besichtigen.

Die Ernte der Brunnenkresse ist harte Handarbeit – und sehr speziell. Da die Brunnenkresse im Wasser wächst, werden traditionell Holzplanken über die Anlage gelegt. Über die schmalen, rutschigen und wackligen Bretter laufen die Brunnenkressebauern bis zu dem Bereich, der gerade abgeerntet wird. Dort angekommen, wird jede einzelne Pflanze auf den Planken kniend mit einem scharfen Messer von Hand abgeschnitten. Ohne Trittsicherheit und eine gute Balance kommt man bei der Ernte also nicht weit.

Im Sommer können neue Brunnenkresse-Pflanzen in die Klinge gesetzt werden. Dafür werden in die trockengelegte Klinge Samen ausgesät oder Jungpflanzen eingesetzt. In den kommenden Wochen wird der Wasserspiegel parallel zum Wachstum der Pflanzen allmählich wieder angehoben.

Titelbild & Foto © Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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