Die Corona-Krise hat viele von uns dazu gebracht, mehr darüber nachzudenken, woher unsere Lebensmittel kommen – und ob unsere Versorgung überhaupt sicher ist. Gerade internationale Lieferketten wirken bei Engpässen äußerst anfällig gegenüber Krisen. Die Wahrheit ist aber, dass durch den weltweiten Handel Lebensmittel-Mängel bzw. -Ausfälle in der Regel verhindert werden können: Kann ein Land nicht liefern, gibt es immer noch andere Länder, die die Lücke füllen können. Das führt nicht nur dazu, dass die Versorgung von (zumindest reichen) Ländern weiterhin gewährleistet ist, sondern auch zu halbwegs stabilen Preisen auf nationaler Ebene. Problematisch wird es nur, wenn es zu einer Unterbrechung von Lieferketten kommt, wie es während der Finanzkrise 2008 der Fall war. Damals wurden Exportverbote für Reis erlassen, was zu einer weltweiten Preisexplosion und Hungersnot in Entwicklungsländern führte.
Waren wie Dünger, auf die weltweit alle angewiesen sind, sind eigentlich immer im Umlauf. Geschehen aber schwerwiegende Ereignisse, die sich auf die ganze Welt auswirken, können diese weitreichende Folgen auf die Produktion dieser Waren haben. So führten die hohen Gaspreise im Herbst 2021 zu doppelt so teurem Dünger, da Gas als Rohstoff für die Produktion von Stickstoffdünger benötigt wird und die Hersteller die Produktion infolge der Gaspreise drosselten oder vorübergehend sogar ganz einstellten.
So steht es um Thüringer Gemüsebauern
Knapp die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt, doch nur auf 1 % der Fläche wird Gemüse angebaut. Selbstversorgen können wir uns mit dieser Menge nicht: Der Anbau in Deutschland deckt nur ein Drittel unseres Gemüsebedarfs ab. Und die Anbauflächen werden von Jahr zu Jahr kleiner.
Deutschland gehört zu den Ländern mit den höchsten Sozial-, Qualität- und Umweltstandards weltweit. Der Mindestlohn ist eine große Errungenschaft für soziale Gerechtigkeit, stellt zusammen mit den gestiegenen Energie- und Dünger-Preisen viele Landwirte jedoch vor Herausforderungen. Während Getreide und Raps noch relativ pflegeleicht anzubauen sind, ist gerade für den Anbau von Gemüse viel Handarbeit nötig – und dafür braucht es entsprechendes Personal, das nicht nur schwer zu finden ist, sondern auch viel Geld kostet. Regional angebautes Gemüse kann dadurch mit Gemüse, das aus Ländern mit niedrigeren Löhnen und Standards importiert wird, preislich nicht mithalten, wodurch es auch kaum im Supermarkt angeboten wird: Gerade traditionelle Anbaubetriebe können ihr Gemüse zu den Preisen, die der Handel vorgibt, nicht verkaufen, da sie sonst ihre Kosten nicht mehr tragen können. Diese Betriebe – oftmals seit Jahrzehnten von einer Familie geführt – sind immens auf die Direktvermarktung an treue Stammkunden angewiesen, um überleben zu können, denn selbst die Gastronomie kauft in der Regel eher im günstigeren Großmarkt als beim Landwirt vor Ort ein. Bio-Betriebe haben es wegen der hohen Preise ihrer Produkte oft sogar noch schwerer.
Viele Thüringer Gemüsebauern gibt es nicht mehr, regionale Produkte werden immer rarer. Zu den größten, die es noch gibt, gehören unter anderem Schweizer Sauerkonserven und HAINICH. Parallel dazu ist in den letzten vier Jahren die Anbaumenge von Gemüse in Thüringen um 35 % zurückgegangen. Die Anbauflächen haben sich in den letzten zehn Jahren auf nun noch 683 Hektar halbiert. Etliche große Agrarkonzerne haben gerade den Gurkenanbau in Thüringen schon eingestellt, denn zu den hohen Personalkosten gesellt sich nun noch ein weiteres, riesiges Problem: die Klimakrise. Neben Wasserknappheit und Trockenheit sorgen auch neue tierische und pflanzliche Krankheiten für Ernteausfälle und somit auch für eine bedrohte Liefergarantie und Versorgungssicherheit.
Zu den größten Gemüseproduzenten in Thüringen gehören HAINICH und Schweizer Sauerkonserven.
In Thüringen wird in erster Linie Weißkohl angebaut. Einen weiteren großen Teil machen Zwiebeln und Spargel aus. Das Gemüse wächst vor allem im Thüringer Becken, im Altenburger Land sowie rund um Bad Langensalza und Mühlhausen.
Früher wurden bei uns auch gern Blumenkohl und Gurken angebaut. Doch Blumenkohl braucht viel Stickstoff – und die momentan geltende Düngeverordnung verhindert, dass hochwertiger Blumenkohl weiterhin angebaut werden kann. Gurken leiden zwar nicht unbedingt unter den sich ständig ändernden Verordnungen oder Förderrichtlinien, aber dafür umso mehr unter der Klimakrise. Sie brauchen viel Wärme und sehr viel Feuchtigkeit, sind also nicht nur auf hohe Gewächshaustemperaturen, sondern auch auf viel Wasser angewiesen. Diese Bedingungen in Zeiten von Energie- und Klimakrise herzustellen, ist kaum noch möglich, weshalb mittlerweile viele große Konzerne in Thüringen den Anbau von Gurken eingestellt haben. Weitere Gemüsesorten könnten in Zukunft folgen, da trockene Jahre in der Kombination mit Wassermangel bzw. hohen Wasserkosten den Anbau von Gemüse immer unrentabler machen, gleichzeitig aber auch das Treffen von Vorkehrungen gegen die sich wandelnden Bedingungen immens teuer ist. Es soll zwar staatliche Förderinstrumente und Zuschüsse zu sogenannten Mehrgefahrenversicherungen, die für klimakrisenbedingte Ertragsschäden aufkommen, geben und auch eine Verringerung der Mehrwertsteuer zur Steigerung der Nachfrage von regionalem Obst und Gemüse ist geplant, und dennoch steht fest: Die Klimakrise und steigende Kosten bedrohen die regionale Landwirtschaft und die Wertschöpfungsketten in Thüringen.