Whisky von den sanften Hügeln des Eichsfelds
Whisky aus Thüringen? Klingt verrückt – und doch traute sich Bernd Ehbrecht von der Brauerei Neunspringe, diese Idee umzusetzen. Im Jahr 2013 verteilte er das erste Whisky-Destillat auf Fässer, drei Jahre später war der erste Whisky aus Thüringen fertig. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.
Whisky oder Whiskey?
Whisky bezeichnet den ursprünglich schottischen Branntwein aus Gerste oder Malz. Whiskey ist der Begriff für vor allem aus Irland oder den USA stammenden Branntwein aus Roggen oder Mais. Der Name kommt übrigens aus dem Gälischen (uisge beatha) und bedeutet übersetzt Wasser des Lebens.
Der Wunsch, eigenen Whisky herzustellen, wurde in Ehbrecht an einem Septembertag vor vielen Jahren in den schottischen Highlands geweckt, als er mit zwei Freunden an einer Gebirgsquelle einen 14-jährigen Oban leerte. Dieser Whisky sollte später sein Lieblingswhisky und das „Maß aller Dinge“ in seiner eigenen Brennerei werden. Doch es dauerte lange, bis Ehbrecht beginnen konnte, seinen Traum vom eigenen Whisky zu verwirklichen.
Möglich wurde die Herstellung von Whisky erst durch die entsprechende Infrastruktur der Brauerei Neunspringe. Neunspringe ist eigentlich bekannt für seine Limonaden und sein Bier. Nun nutzt das erfahrene Team das Zusammenspiel der Brauerei-Infrastruktur mit dem Quellwasser aus der Region auch für die Herstellung von Hochprozentigem – Rum, Gin, Edelbrand, feine Geister, Likör und natürlich Whisky, das Herzensprojekt von Ehbrecht. Die hochprozentigen Produkte laufen dabei, in Anlehnung an Neunspringe, unter der Marke Number Nine; der Whisky selbst trägt den Namen The Nine Springs. Ein schöner Nebeneffekt der parallelen Produktion von Bier, Limonaden und Hochprozentigem: Während Bier und Limo vor allem im Sommer getrunken wird, ist Hochprozentiges wie Whisky gerade im Winter beliebt. Außerdem steigt die Beliebtheit von hochwertigen, regionalen Spirituosen immer stärker, während seit Jahren stetig weniger Bier getrunken wird.
Ein Besuch in der Jenaer Papiermühle ist immer wieder ein Erlebnis. Probiere dort das nächste Mal doch mal ihren Jenaer Whisky! Der Single Malt reift in Fässern der französischen Limousineiche. Da dieses Holz kaum bittere Tannine enthält, schmeckt der Whisky köstlich nach einer milden Vanillenote.
Am Anfang dauerte es etwa ein halbes Jahr, bis Ehbrecht und sein Team mit dem Whisky so zufrieden waren, dass er ins Fass konnte. Nach nur drei Jahren Reifung hatte der Nine Springs-Whisky bereits die Qualitäten eines 10 bis 12 Jahre lang gereiften schottischen Whiskys, da bei uns die Temperaturschwankungen höher als in Schottland sind und die Whiskys von Number Nine nicht nur im Keller, sondern auch unter Dächern gelagert werden. Allerdings verdunstet in Thüringen während der Lagerung auch doppelt so viel Whisky: Während in Schottland jährlich nur 2 % aus dem Fass verdunsten, sind es bei uns 4 %. Trotzdem plant Number Nine auch schon 6 und 12 Jahre lang gelagerte Whiskys.
Die wichtigsten Whisky-Begriffe von A bis Z
- Angel’s Share: der Anteil vom Whisky, der während der Reifung aus dem Fass verdunstet
- Batch: Anzahl der Fässer, die für die Abfüllung einer Whisky-Charge genutzt wurden
- Blended Whisky: eine Mischung aus verschiedenen Malt- und/oder Grain-Whiskys, z. T. auch aus verschiedenen Destillerien
- Bourbon: ursprünglich aus Kentucky stammender Whisky mit mindestens 51 % Maisanteil
- Cask Strength: hochprozentige Fassstärke, d. h. der Whisky wird direkt aus dem Fass abgefüllt und nicht auf Trinkstärke (40 bis 43 % Alkoholvolumen) reduziert
- Destillat: Ergebnis nach der Destillation
- Finish: einige Whiskys werden nach der Lagerung im ersten Fass noch in ein zweites umgefüllt und reifen dort kurze Zeit weiter
- Grain Whisky: Whisky aus verschiedenen ungemälzten Getreidesorten
- Islay: die wohl bekannteste Insel für Fans von torfigen und rauchigen Whiskys mit acht schottischen Destillerien
- Nosing-Glas: klassisches Verkostungsglas, da durch seine Form das Aroma im Glas bleibt
- parts per million (ppm): je höher der Wert, desto torfiger ist der Whisky
- peated: über Torffeuer leicht geröstetes Malz mit rauchigen, torfigen Aromen
- Pot Still: kupferne Brennblase, in der vor allem schottische Single Malt Whiskys gebrannt werden
- Single Cask: Whisky aus einem einzigen Fass
- Single Malt: aus einer einzigen Destillerie, besteht aus 100 % Gerstenmalz
- Torf: schottische Alternative für Holz, d. h. Brennmaterial zum Trocknen der Gerste, das für Rauch-Aroma sorgt
- Zuckerkulör: Lebensmittelfarbstoff zur einheitlichen Färbung von Whisky
Das Destillat der Nine Springs-Whiskys soll fruchtig und nach einer starken, süßen Malznote schmecken und sich während der Fasslagerung weiterentwickeln. Außerdem soll der Whisky keine künstlichen Farbstoffe beinhalten und für ein besonders vollmundiges Aroma nicht kühl gefiltert werden – das sind die Ansprüche von Ehbrecht und seinem Team. Dafür nutzen sie einen Mix aus regionalem Gerstenmalz aus dem Eichsfeld sowie schottischem Malz, der über Torffeuer getrocknet wurde und für eine salzige Note sorgt (peated). Außerdem lagert Number Nine die Whiskys in Madeira-, Muskateller- und/oder Marsala-Fässern.
In Madeira-Fässern lagerte ursprünglich Likörwein von der portugiesischen Atlantikinsel Madeira. Madeira muss während der Reifung 90 Tage lang bei 55° C lagern. Währenddessen durchläuft er zahlreiche Reifungsprozesse und entwickelt eine charakteristische Würze und Süße. Whisky, der in Madeira-Fässern gelagert wird, nimmt dessen Würze, Süße und Fruchtigkeit auf.
In Muskateller-Fässern lagerte ursprünglich (Likör-) Wein, der aus Muskateller-Reben gewonnen wurde. Muskateller ist eine der ältesten Weißweinsorten, sie schmeckt sehr fruchtig, süß und blumig. Es gibt sowohl rote als auch gelbe Muskateller-Reben. Für Whisky werden vor allem Fässer bevorzugt, in denen Likörwein aus dunklen, süßen Muskateller-Reben reifte. Die Reben sorgen dann für starke, fruchtige Traubenaromen im Whisky.
In Marsala-Fässern lagerte ursprünglich Likörwein, der nach seinem Herkunftsort – der sizilianischen Stadt Marsala – benannt wurde. Marsala schmeckt süß, komplex und manchmal auch nussig. Für die Lagerung von Whisky werden vor allem Fässer genutzt, die dunklen und süßen Marsala enthielten. Darin gelagerter Whisky wird so oft dunkler als der „normale“ Whisky.




The Nine Springs Triple Cask reifte über drei Jahre lang in drei verschiedenen Fässern (American Virgin Oak, Ex-Bourbon und Ex-Bordeaux). Für das Destillat wurden drei Sorten Gerstenmalz genutzt. Der Triple Cask hat eine rotgoldene Farbe mit Kupferreflexen und schmeckt nach malzigen Röstnoten, fruchtig-süß, voluminös und gleichzeitig weich. Er beinhaltet Nuancen von Vanille, Pfirsich, Backpflaume, Nelke, Kardamom, dunkler Schokolade und getrockneter Feige.
Der würzige The Nine Springs Straight Rye Whisky ist aus deutschem Roggen destilliert und reifte mehrere Jahre lang. Er schmeckt nach Karamell und leicht pfeffriger Zartbitterschokolade.
Sowohl der The Nine Springs Single Cask Ex-Sherry als auch der The Nine Springs Single Cask Ex-Bourbon reiften beide fünf Jahre lang in ausgewählten Einzelfässern. Entstanden ist ein äußerst harmonisches Aroma. Während der Ex-Sherry sehr komplexe Nuancen aufweist, schmeckt der Ex-Bourbon vor allem nach hellen Früchten und sanfter Vanille.
Noch in Planung ist ein milder und gleichzeitig rauchiger Peated Breeze, der zuerst zweifach in Ex-Bourbon- und dann in Madeira-Fässern reifte. Er schmeckt nach Torf und gleichzeitig überraschend mild und süß nach Vanille und hellen Früchten.
Außerdem plant Number Nine eine vollkommen neue Serie mit in Portwein-Fässern gereiften Whiskys. Diese weisen eine starke Rotweinnote und fruchtige Süße auf, schmecken aber auch nussig, holzig und nach Karamell.
Matthias Wiegand setzt mit seinem Whisky innovative Maßstäbe: Der Henry Single-Malt-Whisky wurde zwar nicht in Weimar destilliert, lagerte dort aber vier Jahre lang in ganz speziellen Fässern: Die Oloroso-Sherry-Fässer sind alle an ein Sonic-Aging-System angeschlossen, das Wiegand zusammen mit einem Berliner Toningenieur und Klangforscher entwickelt hat. Dieses System gibt akustische Sinuswellen an das „Klangfass“ ab, wodurch die feinsten Fasspartikel, die die Aromen eines Whiskys stark beeinflussen, schneller in den Whisky übergehen.
Der Whisky der Manufaktur Wiegand selbst, benannt nach dem belgischen Künstler und Architekten Henry van de Velde, der das Vor-Bauhaus-Weimar prägend mitgestaltete, hat ein komplexes, intensives Aroma. Jeder Genuss eröffnet neue Düfte; die fruchtigen und holzigen Noten changieren zwischen Kamillenblüten, Pflaume, Vanille, Weihrauch und Rhabarber.
