Es gibt viele Orte, an denen Du Lebensmittel kaufen kannst. Legst Du dabei Wert auf frische, regionale und saisonale Lebensmittel, stehen eigentlich nur noch Hofläden, Abo-Kisten und Wochenmärkte zur Wahl, doch bei beidem kannst Du Dir nie ganz sicher sein, ob auch genau die Lebensmittel zu haben sind, die Du gerade brauchst. Genau dafür gibt es Marktschwärmer. Auf der Marktschwärmer-Website oder in der App kannst Du wie aus einem Katalog Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Wurst, Fleisch, Molkereiprodukte, Fisch, Honig und sogar Feinkost auswählen, online bestellen und bezahlen und dann quasi „um die Ecke“ abholen – die perfekte Kombination aus Onlineshop und Bauernmarkt. Das Beste daran ist aber nicht nur die Planbarkeit der Lebensmittelkäufe, sondern vor allem das System dahinter.
Französische Bienenkörbe & deutsche Schwärmereien
Ursprünglich kommt das Konzept von Marktschwärmer aus Frankreich, entwickelt hat es ein Social-Start-Up mit dem Namen La Ruche qui dit Oui – der Bienenkorb, der ja sagt. Im Jahr 2011 eröffnete in Toulouse die erste Schwärmerei, in Deutschland war es 2014 soweit. Mittlerweile gibt es mehr als 100 Schwärmereien in Deutschland über 820 Schwärmereien in ganz Europa – unter anderem in Spanien, Italien, Belgien, Schweiz und Niederlande. Beliefert werden die deutschen Schwärmereien von 3.000 regionalen Lebensmittelerzeugern. Auf der Plattform sind mehr als 220.000 Nutzer registriert – europaweit sind es sogar fast 3 Millionen Nutzer. Das beliebteste Produkt sind Eier.
So funktioniert das System Marktschwärmer
Am Anfang steht der Gastgeber, der es sich in den Kopf setzt, eine Marktschwärmer gründen zu wollen. Für die Schwärmerei braucht er einen geeigneten Standort und Landwirte, die ihre Produkte auf der Online-Plattform von Marktschwärmer anbieten. Dort bestellen die Kunden ihre Produkte und bezahlen sie auch direkt online. Es gibt weder einen Mindestbestellwert noch einen Mitgliedsbeitrag oder eine Bestellpflicht für Mitglieder.
An einem festgelegten Termin findet dann die Verteilung statt: Die Landwirte bringen ihre Lebensmittel in die Schwärmerei, wo die Kunden sie abholen. Dabei bringen die Erzeuger nur das mit, was vorher bestellt und bezahlt wurde. Spontane Einkäufe sind also nicht möglich, es gibt aber auch keinen Überschuss oder gar Abfall. Stattdessen erwarten die Kunden faire Preise, hohe Qualität, viele Sorten, relativ kurze Wege, kaum Verpackungen und eine transparente Herstellung. Etwa die Hälfte der Lebensmittel wird zwar (noch) nicht ökologisch produziert, das muss aber nicht einmal sein: Immerhin kennen die Kunden den Erzeuger, vertrauen ihm und wissen, wie seine Lebensmittel hergestellt werden.
Darum ist Marktschwärmer interessant für Landwirte
Gerade für kleine Erzeuger ist es schwer, überhaupt einen Stand auf dem Wochenmarkt zu bekommen – und dann ist nicht einmal sicher, ob sich der Verkauf rentiert. Bei Marktschwärmer legen die Landwirte nicht nur den Preis und den Mindestbestellwert selbst fest, sie bekommen auch 80 % vom Endpreis. Die restlichen 20 % gehen an den Gastgeber der Schwärmerei, an die Plattform und an die Zahlungsdienstleister. Zum Vergleich: Durch gut mitverdienende Zwischenhändler bekommen Erzeuger im Großhandel im Durchschnitt nur 30 % vom Endpreis. Allerdings müssen die Landwirte mehr Zeit und Geld für den wöchentlichen Transport der Lebensmittel zur Schwärmerei und für die Teilnahme am Verkauf einrechnen. Außerdem haben sie durch das flexible Bestellsystem keine Planungssicherheit – was ihnen in Hinblick auf saisonale Schwankungen und kurzfristige Engpässe aber auch zugute kommen kann.
Zeit für ein neues Ernährungssystem
Marktschwärmer möchte regionale, alternative Netze schaffen, die unabhängig von globalisierten Märkten existieren können. Dafür setzen sie auf regionale Wertschöpfungsketten. Das heißt: Jede Schwärmerei arbeitet autonom und dezentral. Aber das heißt auch, dass zum Beispiel der Bäcker, der die Marktschwärmer in seiner Umgebung beliefern möchte, dort nur Brot aus regionalem Mehl anbieten darf. So soll ein nachhaltiges und faires Ernährungssystem entstehen, das allen Menschen einen Zugang zu einer gesunden und umweltgerechten Ernährung bietet. In der Stadt funktioniert das System bereits ziemlich gut, auf dem Land gibt es bisher aber kaum Schwärmereien, sodass gerade in ländlichen Regionen die Wege vom Erzeuger bis zur Schwärmerei noch ziemlich lang sind: In Thüringen legen die Lebensmittel einen durchschnittlichen Weg von 117 Kilometern vom Erzeuger zum Verteilungspunkt in Erfurt zurück. Bundesweiter Durchschnitt sind 40 Kilometer.
Marktschwärmer in Thüringen
Seit Oktober gibt es die erste und bisher einzige Marktschwärmer Thüringens im Erfurter Kontor (in Gera befindet sich eine Schwärmerei momentan im Aufbau). Gastgeber sind Marlen Roßner und Torsten Pach. Bestellst Du bei der Marktschwärmer Produkte, kannst Du sie jede Woche Donnerstag zwischen 17.30 Uhr und 19 Uhr in der Hugo-John-Straße 8 abholen. Alternativ gibt es freitags von 8 bis 14 Uhr Lebensmittel der Marktschwärmer auf dem Gothaer Neumarkt.
Die beliebtesten Produkte der Schwärmerei sind Kichererbsen, Mohn, Hirtenkäse, Joghurt, Käse, Salami, Knacker, geräucherte Forelle, Waffelbecher, Brot, Aufstriche, Müsli, Eierlikör, Mehl und festes Shampoo. Diese Produkte liefern mehr als 30 Erzeuger an die Erfurter Schwärmerei. Dazu gehören Erzeuger direkt aus Erfurt wie Erfurter Streich, zwei Imker, die Brennerei Nicolai & Sohn oder Dachgemüse sowie Erzeuger aus der Umgebung wie Schadinis aus Gotha und die Röstbrüder aus Weimar. Eine Handvoll der Erzeuger kommt aber auch aus Sachsen-Anhalt, Sachsen oder sogar Berlin.