Die Geschichte des Zuckerrohrs
Die ältesten Zuckerrohr-Funde stammen aus dem Jahr 8000 v. Chr. von pazifischen Inseln. Erst vor etwa 2500 Jahren wurde Zucker im römischen Reich bekannt, blieb aber ein äußerst seltenes Importgut. Gesüßt wurde damals vor allem mit Honig und Traubenmost. Mit den Kreuzfahrern kam Zucker um das Jahr 1100 zum ersten Mal seit der Antike wieder nach Europa. Für lange Zeit blieb er weiterhin ein Luxusartikel und wurde sogar als Arzneimittel gehandelt. Venedig wurde in diesen Jahrhunderten zum Haupthandelspunkt für Zucker im Mittelmeerraum – und kam dadurch zu seinem legendären Reichtum.
Kurz nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus entstanden bereits die ersten Zuckerrohrplantagen in der Karibik und etwas später auch in Brasilien. Ab dem 17. Jahrhundert wurde Zucker beliebter, da er durch unmenschliche Sklavenarbeit auf den Plantagen günstiger wurde. Die damalige Zuckerrohr-Ernte wäre ohne Sklaven, die 12 Stunden am Tag unter brutalen Bedingungen auf den Plantagen arbeiteten, in der Form nicht möglich gewesen: Nach 15 Monaten Wachstumszeit wurden die Pflanzenstängel gekappt und gepresst. Der austretende Saft wurde gekocht, über Wochen hinweg abgetropft und die übrig gebliebenen kristallinen Bestandteile in der Sonne getrocknet.
Zucker aus der Rübe: eine deutsche Entdeckung
1747 machte Andreas Sigismund Marggraf eine Entdeckung, die alles verändern sollte: Der Saft der Runkelrübe enthält Zucker! Sein Schüler Franz Carl Achard züchtete aus der Runkelrübe die Zuckerrübe und erfand im Jahr 1801 die industrielle Zuckerproduktion. In den Folgejahren entstand die erste Rübenzuckerfabrik in Schlesien – und machte Europa so allmählich von dem Rohrzucker-Import unabhängig.
1840 folgte die nächste Innovation: Jacob Christoph Rad, Direktor einer Zuckerraffinerie in Böhmen, erfand den ersten Würfelzucker. Damals wurde Zucker ausschließlich in Form eines Zuckerhuts verkauft, aus dem mithilfe von Zange, Beil und Mörser Portionen entnommen und zerkleinert wurden. Erfunden wurde die Form bereits um das Jahr 600: Die Perser gaben heißen Zuckerrohrsaft in ein umgedrehtes, kegelförmiges Gefäß mit einem Loch in der Spitze, durch das der Sirup ablief und der Zucker auskristallisierten konnte. Rads Frau wollte aus dem Zuckerhut kleine Zuckerportionen herausbrechen und verletzte sich dabei den Finger, weshalb sie ihren Mann bat, kleine, handliche Zuckerportionen herzustellen.
Ab 1850 fiel der Zuckerpreis durch die aufkommende industrielle Herstellung. Zucker aus Zuckerrüben wurde mehr und mehr zum Gegenstand des täglichen Bedarfs. Allerdings gab es noch um 1900 Zucker nur in Hut- oder Würfelform zu kaufen – heute ist er in zahllosen Formen und Varianten erhältlich.
In Oldisleben kannst Du Dir noch heute die letzte Zuckerfabrik Europas anschauen, die bis zu ihrer Stilllegung im Jahr 1990 mit Dampfmaschinen und anderen historischen Apparaturen arbeitete. Das einmalige Industriedenkmal zeigt, wie Zucker einst produziert wurde.
Von Würfeln, Hüten und Hagelkörnern
Zucker ist nicht gleich Zucker. Je nach Verwendungszweck gibt es verschiedene Varianten:
- Kristallzucker ist der klassische weiße, raffinierte Haushaltszucker. Er ist besonders rein, geschmacksneutral und in verschiedenen Korngrößen erhältlich.
- Würfelzucker entsteht, indem raffinierter Zucker angefeuchtet, in Form gepresst und wieder getrocknet wird.
- Puderzucker ist fein vermahlener Kristallzucker – ideal für Glasuren, Cremes und zum Bestäuben von Gebäck.
- Hagelzucker ist ein grobes Granulat aus raffiniertem Zucker, das gerne zum Bestreuen von Hefezöpfen oder Keksen verwendet wird.
- Kandiszucker wird im Vakuum in einer eingedickten Zuckerlösung langsam kristallisiert. Er ist weiß oder bräunlich, wobei die Farbe entweder durch Einfärben mit Zuckerkulör oder Erwärmung und gleichzeitiges Karamellisieren entsteht.
- Der Zuckerhut war früher die übliche Handelsform für Zucker: ein Kegel aus relativ fester kristalliner Zuckermasse. Heute wird er fast nur noch für die Herstellung von Feuerzangenbowle verwendet.
- Brauner Zucker ist karamellisierter, mit Zuckerkulör eingefärbter Kristallzucker.
- Vollzucker ist nicht raffinierter Zucker und enthält geringfügig mehr Mineralstoffe als raffinierter Zucker.
- Rohzucker ist nur leicht raffiniert – an den Zuckerkristallen klebt noch etwas dunkler Zuckersirup (Melasse), was den Zucker klebrig macht und für einen malzigen Geschmack sorgt.

Zuckerrohr und Zuckerrübe
Sowohl Rohrzucker aus dem Saft des Zuckerrohrs als auch Rübenzucker aus dem Saft der Zuckerrübe liefern am Ende Saccharose. Der Unterschied liegt im Anbau, in der Herstellung und manchmal auch im Geschmack.
80 Prozent des Zuckers weltweit wird aus Zuckerrohr gewonnen. Zuckerrohr wächst in den Subtropen und Tropen und wird drei bis vier Meter hoch. Ein reifer Stamm enthält 12 bis 16 Prozent Zucker. Die größten Produzenten sind Indien, Brasilien und Thailand – mehr als ein Drittel des weltweiten Zuckers kommt aus diesen drei Ländern.
Die industrielle Herstellung des Rohrzuckerts ähnelt der des Rübenzuckers: Das Zuckerrohr wird entsaftet und eingekocht, bis das Wasser verdunstet ist und die Zuckerkristalle übrig bleiben. Anschließend werden sie gereinigt und getrocknet. Rohrzucker kann etwas würziger und karamelliger als Zucker aus Zuckerrüben schmecken.
Weltweit werden pro Jahr 170 Millionen Tonnen Rohzucker hergestellt, davon 28,6 Millionen Tonnen in Europa.
Die restlichen 20 Prozent des Zuckers weltweit werden aus Zuckerrüben gewonnen. Für ein Kilo reinen Zucker braucht es sechs bis sieben Zuckerrüben. Sie wachsen in gemäßigtem Klima, vor allem in Russland, Frankreich und den USA. In Deutschland bauen etwa 22.000 Landwirte Zuckerrüben an.
Die industrielle Herstellung beginnt mit der Reinigung und Zerkleinerung der Rüben nach der Ernte. In Extraktionstürmen werden die Rüben mit heißem Wasser versetzt, sodass der Zucker herausgelöst wird. Der entstandene Rohsaft wird geklärt und enthält etwa 16 Prozent Saccharose. In Verdampfungsapparaten wird dem gefilterten Dünnsaft Wasser entzogen, bis der Zuckergehalt bei 75 Prozent liegt. Dieser Dicksaft wird weiter eingedickt und mit Impfkristallen zur Kristallisation gebracht. In Zentrifugen werden Kristalle und Sirup voneinander getrennt. Der entstandene Zucker ist Weißzucker. Für raffinierten Zucker wird dieser Weißzucker erneut aufgelöst, kristallisiert und schließlich getrocknet – dann ist er besonders rein, fein und weiß. Der Dicksaft wird zwei weitere Male auskristallisiert. Der übrig bleibende Restsirup heißt Melasse und wird zum Beispiel als Viehfutter, in der Hefe-Industrie oder bei der Alkohol-Herstellung genutzt.

2024 war ein Rekord-Erntejahr für Thüringer Landwirtschaftsbetriebe: Knapp 1,2 Millionen Tonnen Zuckerrüben wurden in Thüringen geerntet, während der Durchschnitt der Jahre davor bei knapp 0,8 Millionen Tonnen lag. Die Thüringer Landwirte liefern ihre Zuckerrüben vor allem an Südzucker.
Die Chemie von Zucker
Zucker ist der Hauptbestandteil von Kohlenhydraten, die aus Ketten miteinander verknüpfter Zuckerbausteine bestehen. Nur kurzkettige Zuckerverbindungen wie Einfachzucker (Glucose, Fructose) oder Zweifachzucker (Saccharose) schmecken süß. Vielfachzucker – sogenannte Polysaccharide, die beispielsweise in Stärke stecken – haben keinen süßen Geschmack. Sie werden bei der Verdauung in einzelne Zuckermoleküle aufgespalten und zur Energiegewinnung genutzt.
Haushaltszucker besteht vor allem aus Saccharose – eine Verbindung aus je einem Teil Glucose und einem Teil Fructose. Kurzkettige Zuckerverbindungen wie unser Haushaltszucker werden sehr schnell verdaut und lassen den Blutzuckerspiegel rasant ansteigen. Zucker enthält also viel Energie, aber keine Vitamine oder Ballaststoffe – er liefert leere Kalorien.
Eine Frage der Balance
Zucker an sich ist weder Gift noch Teufelszeug – solange man ihn in Maßen konsumiert. Im Durchschnitt isst jede Person in Deutschland pro Jahr 33 Kilogramm Zucker. Das sind etwa 90 Gramm täglich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt jedoch nicht mehr als 50 Gramm Zucker pro Tag für einen Erwachsenen, noch besser sind 25 Gramm. Das entspricht 5 bis 10 Prozent der täglich benötigten Energie.
Ein hoher Zuckerkonsum wird mit Krankheiten wie Adipositas, Diabetes, Karies und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Zucker greift außerdem den Zahnschmelz an und kann dadurch zu Karies führen. Um das Risiko für diese Krankheiten zu minimieren, sollte man sich an die Zuckermengen-Empfehlung der WHO halten.






































